Priming
Als Priming (auch Bahnung) bezeichnet man in der Psychologie einen Effekt, bei dem die Verarbeitung eines Reizes (der Zielreiz) dadurch beeinflusst wird, dass ein vorhergehender Reiz (der Hinweisreiz) implizite Gedächtnisinhalte aktiviert hat. Das implizite Gedächtnis beinhaltet Erfahrungen und Erlebnisse, die spezifische Assoziationen auslösen und sich unbewusst auf das Erleben und Verhalten eines Menschen auswirken. Es grenzt sich damit von expliziten Gedächtnisinhalten ab, die bewusst abgerufen und verbalisiert werden können. Ein bahnender Reiz kann ein Wort, ein Bild, ein Duft oder eine Geste sein.
Die erste Beschreibung des Priming-Effekts findet man in den Arbeiten des Psychologen John A. Bargh, dessen Florida-Experiment in die Liste der klassischen Experimente der Psychologie eingegangen ist. Bargh wies nach, dass sich das Verhalten von Probanden durch Priming beeinflussen lässt. Als bahnende Reize kamen zwei verschiedene Wortlisten zum Einsatz. Während sich die Experimentalgruppe in zwei aufeinanderfolgenden Aufgaben mit Wörtern wie vergesslich, Glatze, grau, Falte oder Florida beschäftigte, die sich klar dem Themenbereich Alter zuordnen ließen, bekam die Kontrollgruppe eine Wortliste mit Begriffen anderer Themenbereiche vorgelegt. Zentraler Bestandteil des Experiments war ein Wechsel der Räumlichkeiten zwischen der ersten und der zweiten Aufgabe. Bargh beobachtete, das sich die Experimentalgruppe, die durch die Wortliste auf das Thema Alter geprimt wurde, deutlich langsamer zum zweiten Raum bewegte als die Kontrollgruppe. Er schloss daraus, dass allein das Lesen bestimmter Wörter das Verhalten der Probanden unbewusst beeinflusste.
Für Aufsehen sorgte Barghs Florida-Experiment nicht nur wegen den daraus folgenden Implikationen in Bezug auf menschliche Entscheidungen und den freien Willen, sondern auch, weil es in späteren Studien nicht repliziert werden konnte. Ähnliche Effekte wurden jedoch in anderen, vergleichbaren sozialpsychologischen und psycholinguistischen Studien nachgewiesen, sodass Priming heute als Standardbegriff der Psychologie etabliert ist.
Auch im Marketing kommen Strategien zum Einsatz, die auf den Priming-Effekt zurückzuführen sind. Egal, ob es um die Gestaltung von Werbemitteln, das Design einer Website oder die Ausstattung von Geschäftsräumen geht: Überall werden Reize in Form von Worten, Bildern oder sogar Düften eingesetzt, um Konsumenten auf unbewusster Ebene zu beeinflussen. Neben semantischem Priming stehen dabei vor allem affektives Priming und die Aktivierung von Emotionen im Vordergrund. So werden im Marketing beispielsweise Stereotype, Vorurteile und Bedürfnisse durch Reize getriggert.
- Semantisches Priming bezeichnet einen Priming-Effekt, bei dem ein verbaler Reiz begriffliche Assoziationen (Wortfelder) aktiviert. Priming-Studien zeigen, dass sich die Verarbeitung eines Wortes durch ein vorhergehendes beeinflussen lässt, sofern beide Wörter in einer semantischen Beziehung zueinander stehen. Probanden erfassen das Wort „Krankenschwester“ beispielsweise schneller, wenn vorher das Wort „Arzt“ gelesen wurde. Psycholinguisten und Kognitionswissenschaftler erklären dieses Phänomen folgendermaßen: Ein Reiz in Form eines einzelnen Wortes führt zur Aktivierung eines ganzen Konzepts. Lesen wir „Arzt“, laufen wir im Kopf schon durch die Kulissen von Emergency Room.
- Affektives Priming bezeichnet einen Priming-Effekt, bei dem sich die emotionale Bewertung eines vorhergehenden Reizes (Hinweisreiz) auf die Verarbeitung eines nachfolgenden Reizes (Zielreiz) auswirkt. Studien des US-amerikanischen Sozialpsychologen Russell Fazio zeigen, dass die Verarbeitung eines affektiven Reizes erleichtert wird, wenn diesem ein affektiv konsistenter Reiz (also ein Reiz, der ein ähnliches Gefühl verursacht) vorausgeht.
Je nachdem, in welcher Beziehung ein Hinweisreiz zu einem Zielreiz steht, lassen sich positive oder negative Priming-Effekte beobachten. Die Verarbeitung des Zielreizes wird somit entweder beschleunigt oder verzögert. Im Rahmen des Neuromarketings wird vor allem ein positives, emotional aktivierendes Priming angestrebt: Produkte und Marken sollen mit positiven Emotionen besetzt und so fest im Gedächtnis der jeweiligen Zielgruppe verankert werden.
Vor allem Werbetreibende sind bemüht, durch Priming positive Assoziationen und Affekte auszulösen und diese auf das zu bewerbende Produkt oder eine Dienstleistung zu übertragen. Dabei werden Reize in Form von Wörtern, Bildern, Musik, Gesten oder Düften so eingesetzt, dass diese der Werbebotschaft den Weg ebnen. Zahlreiche Beispiele für affektives Priming liefert die Automobilbranche, die in Werbespots für Oberklasse- oder Sportfahrzeuge in der Regel entweder den Spaß am Fahren oder das Gefühl von Freiheit thematisiert. Rationale Argumente wie Energieeffizienz oder ein günstiger Anschaffungspreis spielen eher eine untergeordnete Rolle.
Um positive Emotionen fest mit Marken, Produkten und Dienstleistungen zu verknüpfen, setzt Werbung auf das Mittel der Wiederholung. Ein gutes Beispiel ist der McDonalds-Slogan „Ich liebe es“. Egal, ob im Fernsehen, auf Plakaten im Web oder auf der Produktverpackung, überall wird die Marke mit dem positivsten aller Gefühlszustände verknüpft – in der Hoffnung, dass diese Emotion sich auch auf das Angebot des Fast-Food-Restaurants überträgt. Eine solche Übertragung wird in der Sozialpsychologie als Halo-Effekt bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine kognitive Verzerrung, bei der von bekannten Eigenschaften einer Person, einer Marke oder eines Produkts auf unbekannte Eigenschaften geschlossen wird.