Confirmation Bias: Wie sich der Denkfehler im Marketing nutzen lässt

Frauen können nicht einparken, Linkshänder sind kreativer als Rechtshänder, immer mehr Menschen meditieren – es spielt keine Rolle wie absurd oder naheliegend uns eine Annahme erscheint, jeder Mensch hat bestimmte Überzeugungen und lässt nur ungerne von ihnen ab. Wahrscheinlich haben Sie es in Diskussionen schon einmal erlebt: Ihr Gegenüber blieb hartnäckig bei seiner Meinung, obwohl Sie ihn mit Fakten konfrontierten, die seine Sicht als objektiv falsch entlarvten. Menschen neigen dazu, solche Hinweise herunterzuspielen oder ganz zu ignorieren, während sie im Alltag ständig Belege für die Richtigkeit ihrer Thesen zu erkennen glauben.

In solchen Situationen ist der Confirmation Bias am Werk. Dieser psychologische Denkfehler verzerrt unsere Wahrnehmung. Er sorgt dafür, dass wir neue Informationen nur selektiv aufnehmen und an einmal gefassten Überzeugungen festhalten.

Confirmation Bias: Definition und Erklärung

Das menschliche Denken ist alles andere als objektiv, sondern unterliegt diversen kognitiven Verzerrungen, d.h. in der Verarbeitung von Informationen unterlaufen uns regelmäßig und systematisch Fehler.

Definition

Der Confirmation Bias (Bestätigungsfehler) beschreibt die Neigung des Menschen, bevorzugt solche Informationen aufzunehmen und als relevant einzuordnen, die mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmen.

Der Psychologe Peter Wason hat den Denkfehler in den 1960er-Jahren als Erster in verschiedenen Experimenten nachgewiesen.

In einem dieser Experimente (2-4-6-Problem) sollten Probanden erkennen, nach welcher Regel Zahlenreihen mit drei Zahlen zusammengestellt wurden. Den Teilnehmern wurde die Zahlenfolge 2-4-6 genannt, danach konnten sie eigene Zahlenkombinationen angeben, von der sie annahmen, dass sie der Regel entsprachen. Schließlich sollten sie die Regel nennen, die sie erkannt zu haben glaubten. Die Ergebnisse zeigten laut Wason, dass die Probanden dazu neigten, nur solche Zahlenreihen zu testen, die ihre eigene Vermutung stützten.

Wason konnte den Denkfehler auch bei anderen Experimenten feststellen – z.B. beim Selection-Test/Four-Card-Problem. In den folgenden Jahrzehnten brachte die weiterführende Forschung diesbezüglich zahlreiche neue Erkenntnisse und der Begriff „Confirmation Bias“ wird inzwischen zur Bezeichnung einer ganzen Reihe von Denk- und Erinnerungsmustern genutzt. Nachfolgend einige Beispiele:

  • Informationsgewinnung: Man sammelt nur Informationen, die die eigene Annahme stützen (Wasons Definition des Confirmation Bias).
  • Erinnerung: Man erinnert sich nur an Informationen, die mit der eigenen Meinung vereinbar sind.
  • Framing: Man interpretiert neue Informationen so, dass sie zur bisherigen Einstellung passen.
  • Überprüfen: Man verzichtet auf Gelegenheiten, die eigene Meinung zu hinterfragen.
  • Verwerfen: Man verwirft Informationen, die mit den eigenen Überzeugungen nicht übereinstimmen.

Confirmation Bias: Beispiele aus dem Alltag

Die Erforschung des Confirmation Bias und der Möglichkeiten, wie man sich von ihm frei machen kann, beschäftigt die Psychologen seit Jahrzehnten. Aus gutem Grund. Denn die kognitive Verzerrung kann gravierende und zum Teil gefährliche Konsequenzen haben.

Untersucht ein Arzt einen Patienten zum Beispiel nicht gründlich, weil er ihm als Hypochonder bekannt ist und er seine Symptome nicht mehr ernstnimmt, könnte es sein, dass der Arzt eine ernste Krankheit nicht rechtzeitig erkennt und der Mann daran stirbt.

Doch es muss gar nicht so dramatisch sein: Allein beim Nachrichtenkonsum blenden wir aufgrund des Confirmation Bias die Informationen aus, die nicht zu unserer Überzeugung passen. Die Algorithmen in sozialen Medien präsentieren uns zusätzlich nur noch Fakten, die mit unserem Weltbild übereinstimmen. So verhärten sich die Fronten zwischen den politischen Lagern, und einmal radikalisierte Meinungen können nur noch schwer korrigiert werden.

Dass der Denkfehler existiert, gilt in der Wissenschaft weithin als sicher. Inwieweit Menschen sich in ihren Entscheidungen tatsächlich vom Bestätigungsfehler beeinflussen lassen, ist allerdings bis heute umstritten. Gary Klein beispielsweise sieht zentrale Schwächen in der Forschung.

5 Möglichkeiten, wie Sie den Confirmation Bias im Marketing nutzen können

Dass Menschen dazu neigen, an ihren Überzeugungen festzuhalten und vorhandene Annahmen unbewusst zu bestätigen, nutzen Unternehmen seit vielen Jahren erfolgreich in ihrem Marketing. Und Sie können es ihnen leicht nachmachen.

Im Kern geht es darum: Finden Sie heraus, welche impliziten Annahmen Ihre Kunden haben und bestätigen Sie diese mit Ihren Marketing-Botschaften. Damit ernten Sie Zustimmung, gewinnen Vertrauen und sind einen Schritt näher am Kaufabschluss.

Klischees und Stereotype aufgreifen

Deutsche Autohersteller liefern Qualität, französische Weine sind erstklassig und Start-ups im Silicon Valley entwickeln großartige Tech-Innovationen: In den Köpfen von Menschen existieren Klischeevorstellungen, die Branchen oder einzelne Marken betreffen.

Wenn es positive Annahmen über Ihr Unternehmen gibt oder Ihre Branche einen bestimmten Ruf hat, greifen Sie diese Annahmen in Ihren Marketing-Botschaften auf. Menschen werden diese Botschaften bereitwillig glauben, weil diese sich wie passende Puzzleteile in das Bild einfügen, das in der Öffentlichkeit von Ihrem Unternehmen oder Ihrer Branche kursiert. Marketing ist oft effizienter, wenn es positive Vorannahmen aufgreift.

Schmerzpunkte ansprechen

Was ist, wenn Ihr Unternehmen noch unbekannt ist oder Menschen über Ihre Branche keine positiven Assoziationen im Kopf haben? Dann haben Interessenten zumindest ein konkretes Problem, von dem sie sich erhoffen, bei Ihnen eine Lösung zu finden – und auch hier können Sie den Confirmation Bias ausspielen. Menschen wollen glauben, dass es für ihr Problem eine Lösung gibt. Sie neigen dazu, Argumentationen zu glauben, die ihnen nachvollziehbar Abhilfe für Ihre Probleme versprechen.

Je besser Sie die Schmerzpunkte Ihrer Kunden kennen, desto klarer können Sie diese in Ihrer Verkaufsargumentation ansprechen und desto schneller werden Kunden sich für Sie entscheiden. Der Bestätigungsfehler wirkt aber auch noch auf eine zweite Art: Manchmal sind sich Kunden noch gar nicht des Ausmaßes ihres Problems bewusst. Durch die Ansprache der Schmerzpunkte können Sie unbewusste Befürchtungen bestätigen, nur um anschießend dem jetzt aufnahmebereiten Kunden die passende Lösung zu präsentieren.

Testimonials nutzen

Im Netz fällt es Kunden oft schwer, zu beurteilen, ob ein Anbieter vertrauenswürdig ist. Doch ohne Vertrauen kein Verkauf! Gerade wenn Kunden schon großes Interesse am Produkt haben, halten sie bewusst oder unbewusst Ausschau nach Indikatoren, die ihnen bestätigen sollen, an einen seriösen und kompetenten Anbieter geraten zu sein.

Kommen Sie dem unbewussten Wunsch ihrer Kunden nach und veröffentlichen Sie Kundenstimmen oder Erfolgsgeschichten, um zu belegen, dass Ihr Produkt sein Geld wert ist und es sinnvoll ist, mit Ihnen Geschäfte zu machen. Damit geben Sie Interessenten den nötigen Anstoß, um den finalen Klick im Einkaufswagen zu tätigen.

Bestandskunden pflegen

Je größer der Kauf, desto stärker ist das Bedürfnis von Kunden, auch im Anschluss noch die Bestätigung zu erhalten, dass sie ihr Geld gut investiert haben. Dazu haben Unternehmen viele Möglichkeiten. Warum senden Sie nicht eine Dankes-Mail nach dem Kaufabschluss, in der Sie direkt ein paar praktische Tipps für die Anwendung Ihres Produkts vorstellen, einen Discount für ein anderes Produkt anbieten oder ein kostenloses Goodie mitschicken?

Und auch, wenn der Kauf bereits länger zurückliegt, lohnt es sich, in die Beziehung zu Ihren Kunden zu investieren – vor allem bei Abo-Modellen. Vermitteln Sie Ihren Kunden ein gutes Gefühl bei der Nutzung, wo immer Sie können. Mailchimp liefert ein gutes Beispiel für solch eine Maßnahme: Sobald ein Kunde eine E-Mail-Kampagne versendet, wird er mit einem grafischen High Five beglückwünscht, verlässt die Anwendung so mit einem Lächeln im Gesicht und fühlt sich in der Wahl seines Mail-Anbieters bestätigt.

Hypothesen prüfen

Die bisherigen Tipps beziehen sich darauf, wie Sie den Confirmation Bias im Marketing einsetzen können, um die Kommunikation mit dem Kunden wirksamer zu gestalten. Viele Marketing-Abteilungen vergessen allerdings, dass auch sie selbst dem Confirmation Bias unterliegen.

Reflektieren Sie regelmäßig, welche impliziten Annahmen Ihren Marketingmaßnahmen zugrunde liegen. Die Gefahr ist groß, dass man Marketing-Tools so verwendet, dass die Analyse die eigene Hypothese bestätigt. Prüfen Sie bewusst die Gegenthese und probieren Sie alternative Vorgehensweise, zum Beispiel über A/B-Tests.

Fazit: Die Mischung macht’s

Der Bestätigungsfehler gehört zu den kognitiven Verzerrungen, die leicht nachvollziehbar sind. Jeder kennt die Filterblasen in den Social Media oder weiß, wie schwer man sich von manchen Überzeugungen verabschieden kann. Die Anwendung im Marketing ist, anders als beim IKEA-Effekt oder dem Endowment-Effekt, für viele aber weniger offensichtlich. Gleichzeitig spielen große wie kleine Marken seit Langem bewusst mit dem Confirmation Bias.

Wenn Sie Ihr Marketing optimieren wollen, sollten Sie typische Denkfehler in ihren Marketingmaßnahmen berücksichtigen: beispielsweise auch den Ankereffekt, den Selection Bias und den Decoy-Effekt. Denn je größer Ihr Arsenal an psychologischen Mechanismen ist, desto effizienter können Sie in der Customer Journey potenzielle Kunden ansprechen.