Der Selection Bias im Marketing

Nahezu jede Entscheidung, die wir fällen, wird durch Vorurteile getrübt – und zwar ganz unbewusst. Der Fachbegriff für diesen psychologischen Effekt lautet „Selection Bias“, auch bekannt als Stichprobenverzerrung oder Sampling Bias. Diese kognitive Verzerrung beschreibt, dass ein falsches Ergebnis durch Auswahlfehler entsteht, z. B. bei der Wahl von Stichprobeneinheiten. Das hat auch Auswirkungen auf die Marktforschung und sollte deshalb von Unternehmen beachtet werden.

Die Definition: Was ist Selection Bias (Stichprobenverzerrung)?

Definition: Selection Bias

Die Stichprobenverzerrung beschreibt den Effekt, dass es Menschen nicht vollständig möglich ist, unvoreingenommen Stichproben auszuwählen. Durch unbewusste Vorurteile werden Statistiken verfälscht.

Der Selection Bias hat gravierende Auswirkungen auf die Auswahl von Informationen. Und zwar längst nicht nur in Marktforschung oder Wissenschaft, sondern auch in ganz alltäglichen Situationen. Nur wer sich der eigenen Fehlbarkeit bewusst ist, kann Biases (Verzerrungen) und deren Effekte positiv nutzen. Das Bewusstsein über die Fehleinschätzungen kann für Unternehmen entscheidende Vorteile bringen. Wenn man versucht, der Stichprobenverzerrung bewusst entgegenzuwirken, kann man bei Studien aussagekräftigere Ergebnisse erzielen.

Wie funktioniert der Selection Bias?

Selection Bias ist eine statistische Verzerrung bei der Auswahl von Stichprobeneinheiten. Diese Verzerrungen sollten vermieden werden, um aussagekräftige Daten und Ergebnisse zu erhalten. Im Marketing ist beispielsweise die Objektivität von Kundenumfragen und anderen Marktforschungs-Maßnahmen durch den Selection Bias gefährdet. Die Gründe für das Auftreten einer Stichprobenverzerrung sind vielfältig und können sowohl auf der Seite der Teilnehmer als auch auf der Seite der Personen liegen, die die Stichprobeneinheiten auswählen. Ein sehr wichtiger Aspekt ist stets die Teilnahmebereitschaft von Personen, falls diese nicht zufällig ist. Bekannte Selection Biases sind beispielsweise die „Schweigeverzerrung“, die „Selbstselektion“ (Self Selection Bias) und der „Survivorship Bias“. Der Survivershop Bias ist zu beobachten, wenn in einer Untersuchung von Erfolg oder Misserfolg unbeabsichtigt nur die Daten der Erfolgreichen, der „Survivors“, ins Ergebnis einfließen.

Die Vorsichts- und Gegenmaßnahmen, die notwendig sind, um einen Selection Bias bestmöglich zu minimieren bzw. komplett auszuschließen, sind relativ komplex. Hier kommen statistische Techniken zum Einsatz, beispielsweise die Heckman-Korrektur, um in der empirischen Sozialforschung oder in der Marktforschung zu guten Ergebnissen zu kommen.

Beispiele für den Selection Bias

Der Selection Bias hat längst nicht nur für die Forschung große Relevanz. Im unternehmerischen Leben, ja sogar im privaten Alltag, selektieren wir ebenfalls Informationen oder bekommen bereits selektiv verzerrte Daten präsentiert. Auch kognitive Verzerrungen leisten einen großen Beitrag dazu, dass wir schon bei der Auswahl Fehler machen, die dann ein Ergebnis zwangsläufig verfälschen.

Die immer wieder auftretenden Stichprobenverzerrungen zeigen klar, dass wir nicht unvoreingenommen sind, sondern viel Arbeit investieren müssen, um uns einem Status der Unvoreingenommenheit zumindest anzunähern. Die folgenden Beispiele für den Selection Bias zeigen die weitreichenden Implikationen einer Stichprobenverzerrung.

Im ersten Beispiel soll eine Umfrage zur allgemeinen Markenbekanntheit eines gesunden Nahrungsergänzungsmittels durchgeführt werden. Wenn die Umfrage in Fitnessstudios, im Reformhaus oder im Biosupermarkt durchgeführt wird, befragt man die Zielgruppen der Produkte. Dies kann sinnvoll sein. Das Ergebnis der Marktforschung ist dann aber in jedem Fall mit Vorsicht zu genießen, denn der Selection Bias hat bereits zugeschlagen: Die Personen, die Fitnessstudio, Reformhaus oder Biosupermarkt besuchen, sind in der Regel empfänglicher für die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit gesunder Produkte. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Markenbekanntheit in diesen Personengruppen höher ist – und diese entsprechend nicht neutral gemessen wurde.

Das zweite Beispiel für den Selection Bias zeigt, welch weitreichende Folgen der Verzicht auf eine echte Zufallsauswahl haben kann. Wirtschaftsforscher sollen eine Umfrage zur Konjunktur machen, die möglichst repräsentativ für alle Unternehmen des Landes ist. Die Auswahl der Daten erfolgt aber auf Basis des Handelsregisters und der dort eingetragenen Kapital- und Handelsgesellschaften. Der Selection Bias ist hier sogar noch größer, als man auf den ersten Blick vermuten könnte: Es werden nämlich durch die Verzerrung der Stichprobe nicht nur Kleingewerbetreibende ausgeschlossen, sondern auch zahlreiche erfolgreiche Freiberufler (z. B. Anwälte, Ärzte, Architekten), Künstler und Nebenberufler aller Branchen.

Dieses Beispiel ist offensichtlich – erfahrenen Forschern wird ein solcher Fehler nicht unterlaufen. Viele kleinere Stichprobenverzerrungen können sich aber aufsummieren und damit selbst eine so wichtige Zahl wie die Konjunkturprognose für ein Land stark verfälschen.

Der Selection Bias im Marketing

Der Selection Bias ist primär eine Herausforderung für die Marktforschung, weniger für das aktive Marketing. Schon direkt bei der Erfolgsmessung von Werbekampagnen, die schließlich auch eine Art Marktforschung ist, müssen mögliche Stichprobenverzerrungen beispielsweise beachtet werden, um seriöse Ergebnisse aus dem Marketing präsentieren zu können.

Bei Kunden- und Nutzerumfragen spielt eine Variante des Selection Bias, der „Self Selection Bias“, eine gewaltige Rolle. Dieser tritt überall dort auf, wo Teilnehmer selbst entscheiden können, ob sie an einer Umfrage teilnehmen wollen. Falls die Nicht-Teilnehmer eine signifikant andere Meinung (z. B. Unzufriedenheit mit dem Unternehmen) haben sollten als die Teilnehmer (z. B. Zufriedenheit mit dem Unternehmen), kann die Stichprobenverzerrung dafür sorgen, dass die Kundenzufriedenheit zu hoch eingeschätzt wird. Das Problem des Selection Bias kann und muss also hier durch statistische Gewichtungsverfahren reduziert werden.

Für das Marketing ist der Selection Bias besonders tückisch, weil die Stichprobenverzerrung oft in Kombination mit anderen Bias-Phänomenen auftritt. Um statistisch korrekt gegenzusteuern, muss also überhaupt erst einmal bekannt sein, welche Kombination von Biases vorliegt. Zu nennen sind hier u. a. der Publication Bias (nur positive Ergebnisse werden veröffentlicht) oder der eben erwähnte Self Selection Bias (nur bestimmte Gruppen nehmen überhaupt teil).

Je geringer die Datenmenge und/oder die daraus entnommene Stichprobe sind, desto eher macht ein Selection Bias datengetriebenes Marketing unmöglich. Nicht aufgedeckte Fehler können jede Studie und jede Befragung bis zur absoluten Beliebigkeit verzerren und damit natürlich auch zu fatalen Fehlentscheidungen im Marketing führen. Ein gutes Studiendesign sorgt also gleichzeitig dafür, dass unbewusste Effekte, ungewollte Verzerrungen und mögliche Manipulationen ausgeschlossen werden.

Hinweis

Um Daten korrekt zu erheben und auszuwerten, müssen neben dem Selection Bias noch weitere Effekte beachtet werden: Confirmation Bias, Hindsight Bias oder der Halo-Effekt können aber auch gewinnbringend in eine Kampagne eingebaut werden. Kognitive Verzerrungen können im Marketing ebenso gezielt eingesetzt werden, um Markenwert und Abverkauf zu erhöhen. Besonders relevant sind dabei die Verlustaversion und der damit zusammenhängende Endowment-Effekt.