Was ist ITIL (Information Technology Infrastructure Library)?

Anbieter von IT-Dienstleistungen wie Managed Service Provider oder Systemhäuser haben sich lange ausschließlich auf den technischen Aspekt ihrer Services konzentriert. Während Soft- und Hardware im Vordergrund standen, spielten Kundenanforderungen nur eine untergeordnete Rolle. Der Best-Practices-Leitfaden ITIL hat diese Herangehensweise grundlegend verändert – auch dank regelmäßiger Neufassungen wie ITIL v3 und ITIL v4. Was ist ITIL und welche Inhalte zeichnen den Leitfaden aus?

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ITIL: Das steckt hinter dem „Lehrbuch“ für IT-Service-Management

ITIL ist der De-facto-Standard für die Bereitstellung und das Management von IT-Dienstleistungen. Hinter dem Akronym verbirgt sich der ursprüngliche Name des IT-Leitfadens: Information Technology Infrastructure Library. Übersetzt bedeutet ITIL also in etwa „Bibliothek für Informationstechnologie-Infrastruktur“, was den Charakter des umfangreichen Frameworks gut widerspiegelt. ITIL liefert Unternehmen zahlreiche Best Practices dafür, wie IT-Dienste anzubieten bzw. bereitzustellen sind. Kernpunkt der praxiserprobten und bewährten Standardverfahren ist das Streben danach, wirtschaftlich, qualitätsbewusst und kundenorientiert zu arbeiten.

Fakt

ITIL wurde bereits Ende der 1980er-Jahre von der Central Computing and Telecommunications Agency (CCTA), einer Regierungsbehörde Großbritanniens, entwickelt. Auftraggeber war die britische Regierung, die mit der Qualität der eingekauften IT-Dienstleistungen unzufrieden war.

Die Empfehlungen, die Verantwortliche ITIL entnehmen können, waren von Beginn an sehr allgemeingültig, weshalb sich die Best-Practices-Sammlung schnell zum prägenden Standard im IT-Sektor entwickelt hat. Die „Bibliothek“ wurde dabei im Laufe der Jahre stetig erweitert und überarbeitet, um den Anforderungen der rasant wachsenden Branche gerecht zu bleiben. Allein zwischen 1989 und 1998 entstanden 42 verschiedene Dokumente, die später unter der Bezeichnung ITIL v1 zusammengefasst wurden. Es folgten ITIL v2 (1999–2004), ITIL v3 (2007) und die aktuelle Version des Leitfadens ITIL v4 (2019–2020).

ITIL: Prozesse bzw. Practices als Orientierungspunkte für IT-Verantwortliche

Das Ziel von ITIL ist es wie erwähnt, IT-Service-Provider bzw. -Verantwortliche dabei zu unterstützen, qualitätsbasierte Services zu implementieren und zu managen, die zu jeder Zeit den Anforderungen der Kunden gerecht werden. Zu diesem Zweck setzte der Standard in den vergangenen Jahrzehnten auf verschiedene Herangehensweisen:

  • ITIL v2 beinhaltet noch ausschließlich die zwei Disziplinen Service Delivery (Regulierung der verbindlichen Rahmenbedingungen) und Service Support (Aufrechterhaltung der Services). Zusätzlich sind verschiedene Prozessabläufe definiert.
  • ITIL v3 bildet den gesamten Service-Lebenszyklus ab – von der strategischen Ausarbeitung und der Entwicklung passender Lösungen über das Ausrollen und den Betrieb der Services bis hin zum Qualitätsmanagement (inklusive der kontinuierlichen Verbesserung des Produkts). Zudem sind 26 Prozesse beschrieben, die den Kunden noch stärker in den Vordergrund rücken.
  • ITIL v4 verfolgt den Ansatz, mehr Freiheit bei der Gestaltung maßgeschneiderter IT-Services zu gewähren. Die spezifischen Prozesse der Vorgängerversionen wurden daher durch 34 verschiedene Practices abgelöst, die flexibler eingesetzt und leichter angepasst werden können.
Hinweis

Die Grundzüge des Service-Lebenszyklus (Strategie, Design, Überführung, Betrieb und Verbesserung) sowie die 26 Prozesse, die in ITIL v3 vorgegeben sind, haben auch nach der Veröffentlichung von ITIL v4 ihre Gültigkeit und sind noch immer stark verbreitet.

Welche ITIL-Prozesse bzw. -Practices gibt es?

In der vierten Version des ITIL-Leitfadens werden insgesamt 34 verschiedene Practices beschrieben, die zum Großteil bereits als „Prozesse“ aus den Vorgängervarianten bekannt sind. Die Practices, die auch als Empfehlungsrichtlinien bezeichnet werden, sind dabei Teil des mit ITIL v4 eingeführten Service Value Systems (SVS), das sich aus den folgenden fünf Kernkomponenten zusammensetzt:

  • ITIL-Service-Wertschöpfungskette (Service Value Chain): Operatives Modell mit sechs Aktivitäten (Planung, Verbesserung, Engagement, Design/Transition, Erhalten, Bereitstellung/Support), das auf dem Service-Lebenszyklus von ITIL v3 aufbaut.
  • ITIL-Grundprinzipien (Guiding Principles): Grundsätzliche Leitprinzipien, die für ein hochwertiges IT-Service-Management gelten, wie Werteorientierung, transparente Zusammenarbeit, Simplizität oder stetige Optimierung/Weiterentwicklung.
  • Governance: Vordefinierte Richtungen, Richtlinien und Regeln, die IT-Service-Provider bei der Bereitstellung und dem Management ihrer Dienste zugrunde legen sollten.
  • Continual Improvement: Das Streben nach einer kontinuierlichen Verbesserung der offerierten Services, das auch in anderen Komponenten wie der Value Chain eine Rolle spielt.
  • ITIL-Practices (auch Empfehlungsrichtlinien oder Praktiken): Die verschiedenartigen Best Practices, die IT-Dienstleistern ein Set an organisatorischen Ressourcen an die Hand geben, die für die Durchführung von Arbeit oder das Erreichen eines Ziels entwickelt wurden.

ITIL v4 umfasst wie erwähnt 34 Practices, die in die drei Kategorien „Allgemeine Management Practices“, „Service Management Practices“ und „Technische Management Practices“ untergliedert werden. Jede Empfehlungsrichtlinie ist dabei immer in Relation zu den sechs Aktivitäten der Service-Wertschöpfungskette zu betrachten.

Die folgende Tabelle fasst alle ITIL-Prozesse bzw. -Practices zusammen (Stand: Juli 2021):

Allgemeine Management Practices

Service Management Practices

Technische Management Practices

- Strategy Management

- Portfolio Management

- Architecture Management

- Service Financial Management

- Workforce and Talent Management

- Continual Improvement

- Measurement and Reporting

- Risk Management

- Information Security Management

- Knowledge Management

- Organizational Change Management

- Project Management

- Relationship Management

- Supplier Management

- Business Analysis

- Service Catalogue Management

- Service Design

- Service Level Management

- Availability Management

- Capacity and Performance Management

- Service Continuity Management

- Monitoring and Event Management

- Service Desk

- Incident Management

- Service Request Management

- Problem Management

- Release Management

- Change Control

- Service Validation and Testing

- Service Configuration Management

- IT Asset Management

- Deployment Management

- Infrastructure and Platform Management

- Software Development and Management

Was ist eine ITIL-Zertifizierung?

ITIL zählt zu den wichtigsten Standards der Informationstechnologie. Wer im IT-Management tätig ist, hat mit dem Best-Practices-Leitfaden eine hervorragende Informationsquelle über qualitativ ansprechendes, effizientes und gleichzeitig kundenorientiertes Arbeiten parat. Um die Inhalte des IT-Frameworks und ihre Anwendung näherzubringen, bieten sogenannte Accredited Training Organizations (ATOs) ITIL-Schulungen inklusive abschließender Prüfungen an. Bei bestandenem Abschluss erhält der Prüfling ein ITIL-Zertifikat.

Hinweis

Alle ITIL-Zertifikate werden ausschließlich von PeopleCert, dem Examination Institute von AXELOS (aktuell für ITIL verantwortlich), ausgestellt. Wer ITIL-Schulungen und -Prüfungen anbieten möchte, muss bei PeopleCert akkreditiert sein.

Die Schulung für das ITIL-Zertifikat erfolgt nach einem vierstufigen Modell, das auf einem Punktesystem aufbaut:

  1. Foundation Level: Die erste Stufe der ITIL-Zertifizierung vermittelt ein grundlegendes Verständnis für die Schlüsselelemente wie das Service Value System (SVS), den Service-Lebenszyklus oder die verschiedenen ITIL-Prozesse bzw. -Practices. Jeder, der sich für IT-Service-Management interessiert, kann die Prüfung ablegen.
     
  2. Intermediate Level: Im zweiten Kapitel der Schulung setzen sich Teilnehmer intensiver mit dem IT-Management nach dem ITIL-Standard und der Implementierung der Richtlinien auseinander. Das Level umfasst zwei verschiedene Ausbildungszweige aus fünf (Service Lifecycle Management) bzw. vier Modulen (Service Capability Process), die miteinander kombinierbar sind. Der Abschluss des Foundation Levels ist Voraussetzung.
     
  3. Expert Level: Wer in den beiden vorangegangenen Leveln genügend Punkte gesammelt hat, kann mit dem Expert Level seine fundierten Kenntnisse über den ITIL-Leitfaden demonstrieren.
     
  4. Master Level: Für das Master Level gibt es keine offiziell vorgeschlagenen bzw. vorgeschriebenen Lehrpläne oder Schulungen. Um diesen Zertifizierungsgrad zu erhalten, müssen IT-Verantwortliche nachweisen, am Arbeitsplatz erfolgreiche ITIL-Implementierungen durchgeführt zu haben. Zudem ist eine mehrjährige Arbeit im IT-Service-Management nachzuweisen.
Hinweis

Anders als beispielsweise bei einem Zertifikat für Revisionssicherheit können sich Unternehmen nicht generell ITIL-Konformität zertifizieren lassen. Das Zertifikat ist immer personengebunden, was das Zertifikat für Mitarbeiter der IT beruflich besonders wertvoll macht.