Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht hat ein Bekenntnis zur Compliance vor allem strategische Beweggründe: Genau wie natürliche Personen müssen sich auch Unternehmen als sogenannte juristische Personen an bestehende nationale und internationale Gesetze halten. In Deutschland ist dieser Grundsatz durch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) festgeschrieben. Die Paragrafen 9, 30 und 130 des OWiG besagen, dass Unternehmen und Unternehmensverantwortliche dafür Sorge zu tragen haben, dass aus dem Unternehmen heraus keine Gesetzesverstöße passieren.
Werden entsprechende Bemühungen nicht unternommen, laufen die Beteiligten Gefahr, mit Sanktionierungsmaßnahmen wie Bußgeldern, Gewinnabschöpfung oder sogar Freiheitsentzug bestraft zu werden. Hinzu kommen interne wie externe Folgen und Kosten, die dem straffälligen Unternehmen entstehen können, etwa personelle Konsequenzen oder Schadensersatzansprüche durch Kunden und Geschäftspartner. Diese Sanktionen beschränken sich jedoch nicht auf ein Einzelunternehmen, sondern können die gesamte Konzernobergesellschaft in Mitleidenschaft ziehen. Eine Versicherung bietet in solch einem Fall keinen Schutz.
Das Hauptanliegen von Compliance ist es also, straffälliges Verhalten zu vermeiden bzw. schnell zu identifizieren und angemessen darauf zu reagieren, um das daraus entstehende wirtschaftliche Risiko zu minimieren. Bewusste Regelverstöße können so zwar nicht verhindert werden, das Vorhandensein von Compliance-Maßnahmen kann jedoch zu einer Haftungsminderung für die Führungsverantwortlichen führen. Ob ein innerbetriebliches Kontrollsystem strafmindernd berücksichtigt wird, ist jedoch immer vom Einzelfall abhängig.
Ein bekanntes Beispiel für einen Compliance-Verstoß ist der Abgasskandal, der seit September 2015 Medien, Industrie und Politik beschäftigt hält: Die Volkswagen AG räumte ein, eine seit Januar 2013 illegale Abschalteinrichtung in seinen Dieselfahrzeugen verwendet zu haben, um Stickoxid-Werte zu manipulieren und somit geltende Abgasnormen zu umgehen – ein bewusster und von der Führungsebene angeordneter Gesetzesbruch. Seitdem steht der Konzern kontinuierlich in der öffentlichen Aufmerksamkeit: Der Firmenvorstandsvorsitzende Martin Winterkorn trat von seiner Position zurück, ihm drohen 25 Jahre Haft; die Politik nimmt Fahrzeughersteller stärker ins Visier; die Autoindustrie sieht sich infolgedessen in einer schweren Krise; zahlreiche straf- und zivilrechtliche Ermittlungsfahren laufen.
Ab November 2018 ringen nun erstmals die betroffenen deutschen Dieselfahrer mit Unterstützung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) in einer neuartigen Sammelklage um Schadensersatz. Noch sind die finanziellen Konsequenzen nicht vollständig abzusehen, im schlimmsten Fall muss VW aber mit Gesamtkosten von bis zu 100 Milliarden Euro rechnen.