Am vorangehenden Rechenbeispiel lässt sich ein Problem erkennen, das auftritt, wenn bei der Sozialauswahl nur die Punkte berücksichtigt werden. Diese würden nämlich ergeben, dass der Beschäftigte B sozial schutzbedürftiger ist als die Beschäftigte A. In der Realität des Arbeitsmarktes ist es jedoch für A wesentlich schwerer, als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern einen neuen Arbeitsplatz zu finden, als für B. Zudem könnte es sein, dass die Ehefrau von B einen gut bezahlten Job hat, sodass die finanzielle Belastung für den Haushalt beim vorübergehenden Ausfall seines Einkommens deutlich geringer wäre als für den Haushalt der Beschäftigten A.
Aus diesem Grund wurde in mehreren BAG-Urteilen spezifiziert, dass bei der Sozialauswahl mit einem Punktesystem nur ein erster Eindruck der Sozialstruktur gewonnen werden sollte. Bevor dann eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wird, muss individuell geprüft werden, ob die Lebensumstände des Angestellten ausreichend berücksichtigt wurden.
Ein weiteres Problem kann sich daraus ergeben, dass Lebensalter und Betriebszugehörigkeit bei der Punkteverteilung in unserem Beispiel stark ins Gewicht fallen. In einem Unternehmen mit zuvor sehr ausgewogener Personalstruktur könnte das zum Ergebnis haben, dass viele junge, ledige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen. Wenn dadurch das Durchschnittsalter der gesamten Belegschaft erheblich ansteigt und für die Zukunft wichtige Nachwuchskräfte wegfallen, liegt das allerdings nicht im Interesse des Unternehmens.
Auch für diesen Fall erlaubt das BAG, dass die Sozialauswahl an die Gegebenheiten im Unternehmen angepasst wird. Eine anerkannte Lösung wäre die Bildung von Altersgruppen, in denen z. B. die Beschäftigten im Alter von 21 bis 30, von 31 bis 45 und ab 46 Jahren zusammengefasst werden. Die Sozialauswahl findet dann jeweils innerhalb der Gruppe statt. Der Vorwurf der Altersdiskriminierung entsprechend des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wird vom BAG nicht anerkannt, wenn die Bildung von Altersgruppen eindeutig im betrieblichen Interesse liegt, wie es im § 1 Abs. 3 des KSchG definiert ist.